Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Warum ist die Losung »Die Bundeswehr muss wieder zur Verteidigungsarmee werden« als Vaterlandsverteidigung abzulehnen?

Ringo Ehlert, Unentdecktes Land e.V.

Mai 2017

Einleitung: Vor der Frage: Warum ist die Losung »Die Bundeswehr muss wieder zur Verteidigungsarmee werden« als Vaterlandsverteidigung abzulehnen? stellte sich mir die Frage: Warum dieses Referat? Und wenn dieses Referat, wer gibt diese eigenartige Losung aus?

Dieser Unwissenheit war ich nun aufgesessen bis zur Auswertung einer kleinen Aktion des Vereins „Unentdecktes Land“ am 8. Mai, bei der uns ein Genosse fragte, warum wir auf unserem Transparent ein „Nieder mit der Bundeswehr“ fordern. Dies wäre massenfeindlich, und erstmal müsse man schließlich fordern, dass die Bundeswehr wieder eine Verteidigungsarmee werden müsse …

Deshalb nun hier und leider nicht mehr nur aus spekulativem Grund, sondern nun aus aktuellem Anlass, das Referat:

Kleiner Exkurs zur Frage, wie und wann und wo die Bundeswehr jemals eine Verteidigungsarmee war, ist oder sein kann

Referat in zwei Teilen: einem wichtigen und einem weniger wichtigen

Erster und unwichtiger Teil des Referates

Forderungen nach einem Zurück zu einem „Anders“ sind praktischerweise immer sehr leicht an der Besichtigung an dem behaupteten „Anders“ zu überprüfen. Darum folgen hier gleich ein paar Einblicke in dieses Früher der Bundeswehr, Einblicke in das Früher ihres Auftrags, Einblicke in das Denken ihrer Auftraggeber. Das Früher der Bundeswehr beginnt für diesen Einblick kurz nach dem 2. Weltkrieg und endet mit der Annexion der DDR. Um auch jenen Einblick in das Denken der damals weisungsberechtigten Personen, der damaligen Entscheidungsträger zu gewähren, ist meine kleine Chronik auch immer mit Zitaten federführender Personen des „Frühers“ vermengt. Und wie gesagt und zurückgeblickt auf den Grund, dieses Referat zu schreiben: Die These, die hier bestritten wird, lautet, dass früher die Bundeswehr keine Angriffsarmee wie heute war, sondern eine ganz normale reguläre Armee mit dem Auftrag der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Was diese Chronik nur wenig erfasst, sind die eng aufeinanderfolgenden Aufbau- und Aufrüstungsmaßnahmen der Bundeswehr, die sich schließlich vom Startpunkt der vollständigen Niederlage des deutschen Militarismus zur Hauptstoßkraft der Nato in Europa entwickelte. Von einer widerwilligen Einbindung in diese Aufgabe kann keine Rede sein. Ein weiteres von Anfang an von der Bundeswehr getätigtes Bestreben ist die Durchdringung der NATO-Führung mit eigenen Leuten, um hier endlich mindestens gleichberechtigt agieren zu können. Getrost kann diagnostiziert werden, dass die westlichen Mächte genau das nicht auf die Reihe bekamen, was sie sich mit der Einbindung des deutschen Imperialismus in die NATO erhofft hatten, nämlich die „Germans down“ zu halten. Bei aller „angebrachten Neutralität“ im Vorfeld einer Betrachtung, die in diesem Fall schon eine gespielte Naivität sein muss, möchte ich doch, ohne auch nur einen Blick auf die Entwicklung der Bundeswehr geworfen zu haben, folgendes feststellen: Der Auftraggeber der Bundeswehr, der Staat BRD,

  • der Kind des totalen Bruches des Potsdamer Abkommen ist,
  • der Meister des gnadenlosen Wirtschaftsangriffskrieges gegen die DDR war,
  • der Ziehvater und großer Gönner der revanchistischen Vertriebenen-Verbänden ist,
  • der Quasi der Erfinder der gegen zahlreiche Staaten gerichteten Volksgruppenpolitik ist,
  • aber vor allem in seiner ursprünglichsten Funktion Schutzschirm und Winterquartier der deutschen Monopolbourgeoise und ihrer Nazihorden war und ist, scheint mir gelinde gesagt eine recht ungeeignete Plattform und Kommandogeber für eine Verteidigungsarmee zu sein. Aber dazu mehr im zweiten Teil des Referates.

Ein Wort zu den Auslandseinsätzen der BW vor 1990, diese wurden damals als „Humanitäre Einsätze“ bezeichnet und werden auch in der offiziellen Literatur so geführt und stets und ständig übergangen. Zum einen kann man sich vorstellen, was Spitzenkräfte der BW und ihr Berateranhang in anderen Ländern so alles neben „Verbände anlegen und Brunnen bauen“ mit den Gleichgesinnten vor Ort geplaudert und geplant haben. Zum Anderen nehme ich mir raus, die Formulierung „Humanitärer Einsatz“ nicht zu übernehmen. Schon deshalb nicht, wenn es sich um jenes Militär handelt, dessen Vorgänger und Gründungsväter die wohl bis heute gewaltigste humanitäre Katastrophe über die Welt brachten. Und was den Menschen in Jugoslawien bei der Verhinderung einer herbeifabulierten „Humanitären Katastrophe“ durch die Samariter der Bundeswehr widerfahren ist, dürften wir alle noch im Gedächtnis haben. Somit ist in dieser Chronik jeder Einsatz von deutschen Soldaten im Ausland, der schon nach bürgerlichem Recht klar illegal ist, ein Auslandseinsatz der Bundeswehr.

Eine kleine Chronik der Bundeswehr bis zur Annexion der DDR

Alle Fakten und Zitate der Chronik sind der großen Chronik „Deutscher Imperialismus 1864-2006“ entnommen, die auf der Seite der FDJ zu finden ist. Quelle: http://deutscher-imperialismus.fdj.de/deutscher_imperialismus/pdf/info_imp_web.pdf, Stand: 15.07.2017

1946

(1. Jahr nach Ende des deutschen, faschistischen Angriffskrieges auf die Welt mit dem wichtigsten militärischen Organ des faschistischen Deutschlands, der faschistischen Angriffsarmee Wehrmacht)

Der CDU-Chef Adenauer fordert erstmals eine „Europäische Armee“ mit deutscher Beteiligung.

Jun. 1948

Der Wehrmachtsgeneral Hans Speidel, der berühmte Chef der Heeresgruppe B der faschistischen Wehrmacht, fordert in einer Denkschrift die „Gleichbehandlung“ einer künftigen deutschen Armee hinsichtlich Waffenbesitz und -produktion.

Also 100 km Luftlinie weiter, in der SBZ gab es Gefängnis und Todesstrafe für Wehrmachtsgeneräle, in Westdeutschland geben sie Denkschriften ab, die die Wiederbewaffnung Deutschland fordern und die „Gleichbehandlung“ einer deutschen Armee, solch Dreistigkeit muss Respekt gezollt werden!

6. Jul. 1950

Im „Vertrag von Zgorzelec“ erkennt die DDR die Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze Polens an. Die BRD erkennt das Abkommen nicht an.

„Keine deutsche Regierung und keine deutsche Partei kann bestehen, die die Oder-Neiße Grenze anerkennt. Wir lehnen Nationalverrat ab.“

Kurt Schumacher (SPD), westdeutscher Abgeordneter, 1951

„Das deutsche Volk wird niemals die Oder-Neiße-Linie als Grenze anerkennen.“ Konrad Adenauer (CDU), westdeutscher Kanzler und Außenminister, 20. Okt. 1953

Ist ja auch wichtig zu wissen, was der Staat, der die Bundeswehr kommandiert, so von der Unverletzbarkeit der Grenzen seiner Nachbarn hält, jetzt quasi verteidigungsarmeemäßig …

21. Sep. 1950

Der Aufstellungsplan für die künftige westdeutsche Wehrmacht wird bekanntgegeben: zwölf Armeedivisionen bis 1. Januar 1959, Luftwaffe und Kriegsmarine bis 1. Januar 1960.

… 5 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg!

3. Okt. 1950

Tagung von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren bzw. Kriegsverbrechern – u.a. Heusinger, Speidel und Friedrich Foertsch – über eine Remilitarisierung der BRD in Himmerod. Erarbeitung einer „Denkschrift über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer internationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“. Gerade von Herrn Fascho-Generalleutnant Friedrich Foertsch lässt man sich gerne was zur Wiederbewaffnung Deutschland erzählen, denn wenn man wegen schwerster Kriegsverbrechen zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wird, kann man sich schon mal eine Denkschrift erlauben …

26. Okt. 1950

Das „Amt Blank“ – eine von Adenauer installierte Beratungs- und Vordenkerstelle für die damals noch schwierige Aufgabe, nun 5 Minuten nach dem Krieg wieder zu einer Wehrmacht zu kommen und das einem kriegsmüden Volks als notwendig zu verkaufen, wird zur Vorbereitung der Remilitarisierung der BRD eingerichtet. Theodor Blank (CDU) beruft die ehemaligen Offiziere der faschistischen Wehrmacht Heusinger und Speidel als Berater ein.

Zum Namensgeber Theodor Blank hier eine kleine Anekdote, die auch bezeugen soll, dass die Täter des deutschen Militarismus auch schon mal „Opfer“ sein können, und zur Bezeugung, dass es auch mal großen Widerstand in der BRD gegen die Remilitarisierung gab:

Ein spektakulärer Zwischenfall ereignete sich am 24. November 1954 in Augsburg. Bei einer CSU-Wahlveranstaltung in der Rosenaustadion-Gaststätte konnte Theodor Blank nach der Begrüßung „Meine Damen und Herren“ 25 Minuten lang kein Wort sagen. Über 700 Protestierer im völlig überfüllten Lokal brüllten den Redner nieder. Als ihn die Polizei hinausbegleitete, wurde Blank „von einem Glassplitter, der von einem aus der Menge geschleuderten Weinglas stammte, an der rechten Wange verletzt und außerdem von einer Krücke ins Kreuz getroffen, die ein Kriegsversehrter schwang“.

Mai 1951

Der westdeutsche Bundestag beschließt die Wiedereinstellung von entlassenen nationalsozialistischen Beamten. Bis 30. Sep. 1953 kehren 163.577 von ihnen in ihre Jobs zurück.

Gute Stimmung also im Beamtenstadel, was wohl auch FDPler Hasso von Manteufel bewog, mit Blick auf den künftigen Auftrag einer Bundeswehr mal richtig vom Leder zu ziehen:

„Eine reine Verteidigung ist lächerlich. Die Verteidigung Europas kann nur mit einem Offensivkrieg durchgeführt werden.“ Hasso von Manteuffel (FDP), westdeutscher Abgeordneter, 14. Jan. 1951 (AFDE, Verschwörung gegen Deutschland, S. 41)

7. Jun. 1955

Das „Amt Blank“ geht in das westdeutsche Verteidigungsministerium über.

25. Jul. 1956

Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in der BRD.

„Wir wollen dem deutschen Volk den alten Geist zurückbringen – den Geist der Japaner, der Preußen. Alles Gerede von einer demokratischen Armee ist Unsinn. Wir brauchen das preußische System, das harte und zähe Soldaten hervorbrachte. […] Wenn die Welt unsere Soldaten braucht, muss sie uns auch gestatten, diese in unserer Weise auszubilden.“

Lothar Steuer (FDP), westdeutscher Abgeordneter, 30. Aug. 1954 (AFDE, Verschwörung gegen Deutschland, S. 9)

„Allen Widerständen zum Trotz werden wir die Panzertruppe im alten Geist wieder gestalten.“ Hans Röttiger, westdeutscher Heeresinspekteur, Nov. 1956 (Süddeutsche Zeitung, 07.06.2005)

12. Nov. 1956

Remilitarisierung der BRD mit der Gründung der Bundeswehr. 31 von 38 Generälen sind ehemalige Mitglieder des Generalstabs der faschistischen Wehrmacht.

Jun. 1957

Die militärische Abteilung des westdeutschen Verteidigungsministeriums wird zum „Führungsstab“ der Bundeswehr als „Ersatz“ für den im Potsdamer Abkommen verbotenen Generalstab. Generalinspekteur der Bundeswehr wird der alte Wehrmachtsknochen Heusinger.

„Angreifen, wo immer sich eine Chance dafür bietet. Mit dieser Kampfmethode sollte der Westen dem Osten gegenübertreten.“ Adolf Heusinger, später Generalinspekteur der westdeutschen Bundeswehr, 15. Okt. 1953 (Bonner Hefte, 15.10.1953)

Wo auch der Verteidigungscharakter der Bundeswehr jener Zeit sich versteckt haben mag, in der Außendarstellung der Armee verbarg er sich offensichtlich nicht.

25. März 1958

Der westdeutsche Bundestag stimmt grundsätzlich der Ausrüstung der Bundeswehr mit Atombomben zu.

„Leningrad, das schon im September 1941 eingeschlossen war, hätte zu damaliger Zeit ebenso in kürzester Zeit durch Atomwaffeneinsätze ausgeschaltet werden können, wie dies hinsichtlich später der Festung Sewastopol möglich gewesen wäre.“ „Wehrkunde“, westdeutsche Zeitschrift der „Gesellschaft für Wehrkunde“, Jul. 1960

Herbst 1958

Es mehrten sich Kriegsübungen von NATO- und Bundeswehreinheiten im Bereich des „NATO-Kommandos Ostseezugänge“. Hier werden Seekriegsmanöver durchgeführt, in denen die schwimmenden Verbände auf Angriffsoperationen im Küstenvorfeld der DDR vorbereitet werden. Die Bundeswehr erprobt in eigenen Manövern unter den Namen „Wallenstein I-III“ ihre Fähigkeiten unter einem angenommenen Kernwaffenschlag in Richtung Seegrenze der DDR.

Sommer 1959

Eine westdeutsche Militärmission von 40 Offizieren wird in das französische Amt Algiers entsandt.

„Wie verlautet erproben Deutsche auf dem Raketenschießplatz Colomb-Béchar in Südalgerien Raketen.“ „Neue Ruhr-Zeitung“, westdeutsche Tageszeitung, 10. Jan. 1958

Was man so in „humanitären Einsätzen“ erlebt … Hinweis auf Einsatz von BW-Offizieren im Ausland 1959

Herbst 1959

NATO-Stabsübung „Side-Step“ auf dem Gebiet der BRD. Alle Operationen gehen von einem Blitzkrieg gegen die DDR mit möglichem Einsatz atomarer Waffen aus. Eigene Übungen der Bundeswehr unter dem Namen „Ulmer Spatz“ und „Panzerzug“ werden durchgeführt, Thema ist hier der Stoß gegen die südliche Flanke bzw. das Zentrum der DDR. Man beschäftigt sich dahingehend mit den schon gemachten Erfahrungen beim Einmarsch in Österreich und der Tschechoslowakei 1938 in der Vorgängerarmee Wehrmacht.

Dazu passend:

13. Sep. 1959

Der ehemalige Konzentrationslager-Architekt Heinrich Lübke (CDU) wird westdeutscher Präsident.

2. Mär. 1960

Ein Auslandseinsatz der westdeutschen Bundeswehr findet in Marokko statt. In diesem Jahr folgt noch ein weiterer in Angola.

Anfang 1961

Mit dem Manöver „Winter-Shield II“ üben 60.000 Soldaten und 15.000 Fahrzeuge der Bundeswehr und der NATO einen großräumigen Überraschungsangriff gen Osten. Der ehemalige General der faschistischen Wehrmacht und jetzt Generalinspekteur der BW, Heusinger, wird Chef des ständigen Komitees des NATO-„Militärausschusses“. Ihm rückt nach der verurteilte Kriegsverbrecher Foertsch, dieser wird nun Generalinspekteur.

Hier befinden wir uns schon mitten in der durch die Provokation des Westens herbeigeführten sehr angespannten Situation kurz vor der Sicherung der Staatsgrenze der DDR.

29. Juni 1961

In auffälliger Eile wird das „Leistungsgesetz“, das den Zwangsdienst der Bevölkerung im Kriegsfall regelt, so modifiziert, dass es noch vor dem „Verteidigungsfall“ in Kraft gesetzt werden kann. In Bonn bemüht man sich offensichtlich um die innenpolitische Absicherung von vorgesehenen Aktionen, die über Übungen und Manöver hinausgehen.

Jetzt: strahlende Gesichter in den Führungsetagen der Bundeswehr, bald geht’s wohl wieder los!

13. August 1961

Baumaßnahmen in Berlin.

Jetzt hingegen: miese Laune und lange Gesichter in den Führungsetagen der Bundeswehr.

30. Okt. 1961

In diesem Jahr finden Auslandseinsätze der westdeutschen Bundeswehr in Niger und Zypern statt.

21. Jun. 1963

Westdeutsche Truppen werden auf einem niederländischen Militärstützpunkt stationiert.

Jan. 1964

Heinz Trettner, seines Zeichens verdienter Offizier der faschistischen Wehrmacht, Ritterkreuzträger und Staffelkapitän der Legion Condor, wird Generalinspekteur der westdeutschen Bundeswehr.

„Es dürfte heute erwiesen sein, dass der Krieg gegen die Sowjetunion – anders als die Umerziehungspropaganda behauptet – in erster Linie ein nur schweren Herzens begonnener, aufgezwungener Präventivkrieg war.“ Heinrich Trettner, ehemaliger Generalinspekteur der westdeutschen Bundeswehr, 11. Mär. 1997 (General-Anzeiger, 11.03.1997)

Das sind so die Sprüche von ehemaligen Generalinspekteuren der Bundeswehr.

7. Jul. 1964

Westdeutsche Truppen werden auf einem belgischen Militärstützpunkt stationiert.

Okt. 1964

Die Denkschrift „Reform der atlantischen Allianz“ erscheint, in der die atomare Aufrüstung der BRD gefordert wird.

„Wer der Bundeswehr die taktischen Atomwaffen vorenthalten will, ist ein Narr oder Böseres.“ Konrad Adenauer (CDU), westdeutscher Kanzler, 1960 (www.ippnw-hamburg.de/politische-zitate-der-nachkriegszeit-wagner-kolb-ippnw-1997.html)

„Es ist der sichere Untergang, wenn die Bundeswehr keine Atomwaffen hat.“ Konrad Adenauer (CDU), westdeutscher Kanzler, 1961 (www.ippnw-hamburg.de/politische-zitate-der-nachkriegszeit-wagner-kolb-ippnw-1997.html)

14. Dez. 1964

Der westdeutsche Generalinspekteur Trettner legt dem NATO-„Militärausschuss“ einen Plan zur Atomverminung der BRD-Ostgrenze vor.

Dies auch in Hinsicht auf die viel besagten und geächteten „Selbstschussanlagen“ an der Staatsgrenze der DDR …

Jul. 1965

Der Erlass „Bundeswehr und Tradition“ wird vom westdeutschen Verteidigungsministerium ausgegeben.

„Wer als ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS die Pflege soldatischer Tradition sucht, ist als ehemaliger Soldat bei der Bundeswehr willkommen.“ Kai von Hassel (CDU), westdeutscher Verteidigungsminister, 18. Okt. 1965 (Sander, Szenen einer Nähe, S. 41)

1966 - 1970

In diesen Jahren finden Auslandseinsätze der Bundeswehr in Griechenland, Italien, Iran, Nigeria, Algerien, Jemen, Pakistan, Peru, Tunesien und der Türkei statt.

25. Mai 1970

Die Giftgasforschung der westdeutschen Bundeswehr wird in der „Erprobungsstelle 53“ aufgedeckt.

„Alle diese Versuche wären stümperhaft und theoretisch, sollte man sie lediglich mit Simultanmitteln durchführen, natürlich bedarf es der Verwendung von Originalgiften.“ Aus einer Erklärung der westdeutschen Bundeswehr, 22. Jun. 1970 (Die Welt, 23.06.1970)

1971-1975

In diesen Jahren finden Auslandseinsätze der westdeutschen Bundeswehr in Chile, Indien, Italien, Pakistan, Nicaragua, Algerien, Äthiopien, dem Tschad, Mauretanien, Niger, Nigeria, Pakistan, Senegal, Somalia, Sudan, Tunesien und der Türkei statt.

7. Jul. 1975

Das „Verfassungsgericht“ der BRD erklärt erneut den Fortbestand des „Deutschen Reichs“ nach dem 5. Juni 1945.

„Die östlich der Oder und Neiße gelegenen Gebiete wurden Ende des Krieges nicht durch die Siegermächte annektiert. Wir gehen daher von dem Grundsatz aus, dass … eine deutsche territoriale Einheit in den Grenzen vom 31. Dez. 1937 noch immer gültig ist.“ Aus einem Urteil des westdeutschen „Verfassungsgerichts“, 7. Jul. 1975

„Auf politischen Karten Europas sind die Grenzen des Deutschen Reiches vom 31. Dez. 1937 zu kennzeichnen.“ Aus dem Beschluss der westdeutschen Kultusminister „über die Darstellung Deutschlands in Schulbüchern“, Feb. 1983 (Giordano, Die zweite Schuld, S. 296)

Soll dann wohl heißen, dass der Einmarsch der Bundeswehr ins polnische Szczecin eher eine innerdeutsche Truppenverlegung wäre.

1976-1987

In diesen Jahren finden Auslandseinsätze der westdeutschen Bundeswehr in Guatemala, Italien, Rumänien, im Tschad, Israel, Malaysia, Mali, Spanien, dem Sudan, Syrien, Algerien, Mozambique, Nicaragua, Pakistan, Sudan, Somalia, Uganda, Jemen, Äthiopien, Kolumbien und Kenia statt.

2. Mai 1988

Initiative der westdeutschen Abgeordneten der SPD Egon Bahr, Norbert Gansel, Hermann Scheer und Karsten Voigt zur Ermöglichung einer Beteiligung der Bundeswehr an UN-Militäreinsätzen.

1989

Weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr, diesmal im südafrikanisch besetzten Namibia, in Panama, Rumänien, dem Sudan und Uganda.

„Dort, wo unsere internationale Verantwortung gefordert ist, dürfen wir uns nicht unter Berufung auf unsere Vergangenheit unseren Pflichten entziehen.“ Franz Strauß (CSU), bayerischer Ministerpräsident, 1987 (Strauß, Die Erinnerungen, S. 241)

2. Okt. 1989

Gründung der „Deutsch-französischen Brigade“ in Böblingen.

16. Aug. 1990

Sieben westdeutsche Kriegsschiffe mit insgesamt 500 Soldaten gehen wegen der „Golf-Krise“ im östlichen Mittelmeer „vorläufig“ in Stellung.

30. Aug. 1990

Einrichtung des „Bundeswehrkommandos Ost“ in Strausberg, auf dem Gebiet der DDR unter Bruch des „Grundlagenvertrags“ von 1972. Wider den Zeitgeist erlaube ich mir, auch diese Handlung der Bundeswehr als Einsatz im Ausland einzusortieren.

25. Sep. 1990

Der westdeutsche Außenminister Genscher (FDP) spricht sich vor der UN-Vollversammlung in New York für die Änderung des Grundgesetzes für „Out-of-area“-Einsätze der Bundeswehr aus.

3. Okt. 1990

Die Deutsche Demokratische Republik wird von der BRD annektiert.

„Ich glaube sagen zu können, dass sich die Bundeswehr mit ihrer Leistung hinter früheren deutschen Armeen nicht zu verstecken braucht.“ Werner von Scheven, deutscher Generalmajor, 3. Okt. 1990 (Loyal 12/1990)

Besser wäre dann nun, nach Besichtigung dieser kleinen Chronik ein Fazit nicht zu ziehen.

Was an dieser Chronik wohl besonders auffällt: die Bundeswehr, und gerade in ihrer höchsten Führungsebene, ist von Anfang an nicht im Ansatz bemüht, wenigstens mit Worten oder Personalwahl der Nähe der Bundeswehr zur faschistischen Wehrmacht bzw. zu Angriffskriegs-Träumereien zu widersprechen, nicht mal in Worten möchte man eine Verteidigungsarmee sein. Schon diese grob begrenzte Chronik des deutschen Militarismus nach 1945 bis zum Ende der DDR zeigt auf, dass es eben kein plötzliches Umdenken nach dem Fall der Mauer gab. Die Losung: „Zurück zur Verteidigungsarmee Bundeswehr“ macht einen Kontrast auf, einen Unterschied, der einfach nicht existent ist. Ganz im Gegenteil, denn nicht ab dem Gründungstag der Bundeswehr, sondern auch schon in den vorbereitenden Handlungen und Planungen für die Gründung waren alle Zeiger auf Aggression und Angriff gestellt. Dass es bis zur Annexion der DDR keinen Angriffskrieg der Bundeswehr gab – geübt hatte sie ihn regelmäßig –, lag nicht an einem dümmlich herbeigefaselten „Verteidigungscharakter der Armee der BRD“, lag nicht an einer Grundsatztreue der bundesdeutschen Regierungen, es lag vor allem an der Existenz einer Gegenmacht zum deutschen Imperialismus. Es lag an der DDR und der Sowjetunion hinter ihr. Es lag an den Kanonen, die man aus gutem Grund auf die BRD gerichtet hatte, letztlich die einzige Sprache, die man dort versteht. Oder kurz: Der „Elb-Effekt“ jagte der Bundeswehr und ihren Auftraggebern genug Respekt ein, um die Knarren im Schrank zu lassen. („Elb-Effekt“: Wenn die Rote Armee in Dresden ihre Feldflaschen auffüllt, kommt in Hamburg kein Wasser mehr an!) Die Broschüre der RLS, die 2012 unter dem Titel „Armee im Einsatz“ erschien, fasst es etwas weniger blumig zusammen und deswegen gut zusammen:

„Nicht die historische Verantwortung oder das Grundgesetz ließen Helmut Kohl vor militärischem Handeln zurückschrecken, sondern in viel größerem Maße die besondere weltpolitische Position der Bundesrepublik. Die alte BRD war Frontstaat im Kalten Krieg und lag direkt an der Demarkationslinie zwischen NATO und Warschauer Pakt. Jegliche militärische Eskalation in der Mitte Europas barg die Gefahr unüberschaubarer kriegerischer Konsequenzen bis hin zur Möglichkeit eines dritten Weltkriegs und der vollständigen nuklearen Vernichtung der Menschheit. So waren auch Bündnispartner in NATO und WEU nicht unbedingt daran interessiert, Deutschland militärisch zu einer aktiven Rolle zu verhelfen.“

Zweiter und wichtiger Teil des Referates

Für diesen Teil meines Referates müssen wir all unsere Vorstellungsgabe aktivieren!

Stellen wir uns also vor: alles, was ich bis jetzt gesagt habe, was den Angriffscharakter der Armee Bundeswehr belegen soll, ist Unfug und an den Haaren herbeigezogen! Die gesamte Chronik ist nur eine Ansammlung von Kurzmärchen!

Stellen wir uns weiter vor: Die Bundeswehr war eine Armee des friedlichen Status Quo in Europa, die entgegen dem Staat, für den sie agierte, keinerlei Interesse an einer Revanche der durch den Sieg der Antihitlerkoaltion bzw. der Gründung der DDR festgeschriebenen Nachkriegsordnung hatte.

Die Bundeswehr war eine Armee, die sich lediglich erprobte und ausrüstete gegen den zu erwartenden Überfall der NVA auf Nordrhein-Westfalen und die anderen Bundesländer zwecks Errichtung einer kommunistischen Diktatur von Pforzheim bis Westerland.

Sprich: Stellen wir uns also vor, die Bundeswehr war „früher“ tatsächlich eine astreine, waschechte Verteidigungsarmee. Fertig?

Dann ergibt sich ein grundsätzliches und ein spezielles Problem:

Grundsätzlich ist die Bundeswehr die imperialistische Armee eines imperialistischen Staates, es ist die Frage, ob man grundsätzlich als friedensliebender Mensch, als Gegner von Imperialismus, Faschismus und Krieg ein Interesse an der Verteidigung des imperialistischen Staates haben sollte. Große Teile der Arbeiterbewegung, vorn die SPD, rief am Vorabend des 1. Weltkrieges zu so einer Verteidigung auf, wie sehr das wem genutzt hat und wie sehr wem überhaupt nicht genutzt hat, sondern größten Schaden angerichtet hat, dürfte geklärt sein. Aber diese grundsätzliche Frage um den Sieg oder die Niederlage des eigenen Imperialismus, sprich des Hauptfeindes im eigenen Land, wird ja auf dieser Konferenz noch genauer besichtigt und besprochen.

Da wäre nun noch das spezielle Problem und damit wohl der wichtigere Teil im wichtigeren Teil dieses Referates.

Nämlich, der Bundeswehr stehen überhaupt keine Kategorien zu, wie sie vielleicht anderen Armee zustehen! Nämlich, dass dem Auftraggeber der Bundeswehr, der Bundesrepublik Deutschland überhaupt keine Kategorien zustehen, wie sie vielleicht anderen Staaten zustehen!

Wer sich ins Dickicht der Frage begibt: Wie sehr Angriffsarmee oder Verteidigungsarmee war die Bundeswehr, begibt sich schon ein Stück weg, ein zu weites Stück weg von der Betrachtung der Sonderstellung des Staates BRD und ihrer Armee, von der Sonderstellung des deutschen Imperialismus, die begründet liegt in seiner Geschichte. Der Angriff des deutschen Imperialismus auf die Welt, der nicht erst mit dem ersten Weltkrieg begann, endete nicht am 8. Mai 1945, auch wenn der deutsche Imperialismus hier bis kurz vor seiner erhofften, längst überfälligen vollständigen Vernichtung am Boden lag. Dieser Angriff auf die Welt ging weiter, erst mal durch das stille Sammeln der Kräfte und Sicherung vor dem Potsdamer Abkommen mit Gründung der BRD. Der Angriff des deutschen Imperialismus auf die Welt, wenn auch vorerst nur als Juniorpartner der NATO, wenn auch vorerst nur gen Osten, bekam wieder Raum und Möglichkeit durch die Bindung des imperialistischen Lagers an den Kampf gegen seinen Hauptfeind, die Arbeiterklasse an der Macht in Form der Sowjetunion und ihrer Verbündeten. Der Angriff wurde auf verschiedene Weise fortgesetzt, in den frühesten Jahren im Schatten der westlichen Mächte, denen sich der deutschen Imperialismus als Speerspitze gegen den Sozialismus andiente.

Die reale staatliche Plattform und Schutzmantel dieses immer weiterlaufenden Angriffes war die deswegen gegründete Bundesrepublik Deutschland. Das wichtigste Symbol für eine Welt in Gegnerstellung zum deutschen Imperialismus, einer Welt, die nie wieder einen Weltkrieg miterleben wollte, war die DDR. Die Gegnerschaft zur DDR, die Härte und Unnachgiebigkeit dieses Kampfes gegen die DDR, charakterisiert die BRD und die Bundeswehr deswegen am treffendsten. Charakterisiert die Daseinsberechtigung der BRD, nämlich der Brückenkopf dieses besagten ununterbrochenen Angriffes des deutschen Imperialismus auf die Welt zu sein, ein zur ökonomischen und in den letzten Jahrzehnten auch militärischen Festung ausgebauter Brückenkopf. Heute wird von diesem Brückenkopf aus Europa beherrscht, werden die selben Staaten ökonomisch wie militärisch bombardiert, die auch schon vom deutschen Faschismus heimgesucht wurden.

Eine Armee, egal, ob sie sich Angriffsarmee oder sonstwas nennt, die so einen Brückenkopf „verteidigt“, ist dadurch genauso wenig eine Verteidigungsarmee, wie es die faschistische Wehrmacht war, als sie dieses oder jenes Gebäude in Stalingrad gegen die vorrückende Rote Armee „verteidigte“. Aus all diesen Überlegungen stelle ich die These auf: Die Forderung eines Zurück der Bundeswehr zu einem wie auch immer gearteten Früher, in dem sie eine Verteidigungsarmee gewesen sein soll, ist eine von den geschichtlichen Fakten und Zusammenhängen vollkommen abgekoppelte falsche Forderung. Das schlimmste an dieser Forderung jedoch ist, dass sie die Sonderstellung der BRD, die Sonderstellung des deutschen Imperialismus relativiert und ignoriert, also die Relativierung und Ignoranz jener Besonderheiten, die ja letztlich den Auftrag begründen, den uns die vom deutschen Faschismus überfallenen Völker 1945 mit dem Potsdamer Abkommen aufgaben. Jene Relativierung und Ignoranz ist immer auch eine effektive Verteidigung des deutschen Imperialismus, der seit 1945 alles Mögliche unternimmt, sich von seiner Geschichte abzukoppeln, um endlich wieder ein ganz normales Vaterland unter vielen anderen Vaterländern zu sein, das man ohne Scham verteidigen dürfe/ könne/müsse bei seinem 3. Feldzug.