Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Kampf um den DGB – lohnt sich das?

Günter Wangerin

Mai 2019

Liebe Freundinnen und Freunde Liebe Genossinnen und Genoossen

Mein Name ist Günter Wangerin. Ich komme aus München, und bin im Arbeitskreis Aktiv gegen Rechts in Verdi aktiv, über den ich Euch heute berichten werde, wobei ich vorrausschicken muss, dass ich hier nicht für diesen Arbeitskreis sprechen kann.

Ich gehöre zu denen, die wie Ihr, der Meinung sind, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht, was bekanntermassen keine so weit verbreitete Auffassung ist. Leider. Wenn dem nicht so wäre, sähe es vermutlich anders aus in diesem Land.

Ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür, dass ich kein Referat zur Frage der Einheits- und Volksfront vortrage. Ich tue das nicht deswegen nicht, weil ich solch einen Diskurs für überflüssig hielte, sondern, weil meine Stärke nicht gerade die der theoretischen Erörterung ist. Ich werde Euch etwas über die Arbeit dieses antifaschistischen Gewerkschaftsgremiums erzählen und worin ich, als einer, der sich bemüht, Kommunist zu sein, in dieser Arbeit meine Aufgabe sehe.

Seit den 1970-iger Jahren bin ich in der Gewerkschaft, war früher als Arzt im Krankenhaus, später bis zum Rentenalter, bis vor 10 Jahren also, in einem medizinischen Verlag tätig. Hier habe ich zusammen mit anderen Kollegen einen Betriebsrat aufgebaut. Nicht ganz so einfach in einem Laden, in dem ein relativ großer Teil der Beschäftigten der Gründung eines Betriebsrats sehr kritisch gegenüberstand und es einiger Überzeugungsarbeit bedurfte, diesen Menschen überhaupt den Gedanken der Notwendigkeit einer Vertretung und gewerkschaftlicher Organisierung näher zu bringen. Die meisten von ihnen waren nicht im Arbeitermillieu angesiedelt.

Meine Haupttätigkeit ist heute die Kunst, mit der ich mich schon seit vielen Jahre beschäftige und die ich als wichtiges Kampfmittel sehe. Ich bringe sie auch in die Gewerkschaftsarbeit, also in den Arbeitskreis gegen Rechts ein: mit Plakaten, Kunstaktionen, Illustrationen auf Flugblättern usw. Auf den Tafeln hier hinten könnt Ihr das sehen.

Zum Arbeitskreis gegen Rechts - wer sind wir ?

Es gibt uns seit 18 Jahren in München, aber schon in den neunziger Jahren, also vor dem Zusammenschluss zu Verdi, traf sich bei uns im DGB-Haus ein kleiner Kreis von Gewerkschafter*innen – unter ihnen auch ich - und organisierte Veranstaltungen und Aktionen gegen Rechts. Das war ein paar Jahre nach der sogenannten Wende, als die Brandanschläge und Übergriffe gegen Menschen anderer Hautfarbe und Nationalität dramatisch zugenommen hatten und quasi zur Normalität“ geworden waren.

Begleitet war diese verhängnisvolle Entwicklung ja – wie Ihr wisst - von dem bis heute nicht enden wollenden Kampfgeschrei „Das Boot ist voll“ in den Parlamenten und höchsten Gremien, flankiert von Gesetzesinitiativen der Regierungsparteien, einschließlich der SPD natürlich, die sich daran machten, das Recht auf Asyl weitgehend außer Kraft zu setzen. Der ideale Nährboden für rassistische Hetze und Gewalt von Rechts.

Im selben Maß nahm die Blindheit auf dem rechten Auge zu. Nicht die rechten Täter, die Opfer wurden verdächtigt und verfolgt. Schlimmstes Beispiel: der Umgang mit dem NSU schon Anfang 2000 bis zu dessen Aufdeckung, die ja, wie Ihr wisst, keineswegs durch Ermittlungsbehör-den erfolgte. Wie nach dem Oktoberfest-Attentat 1980 lautete die Devise ja auch da EINZELTÄTER – bis heute.

Gleichzeitig – in unseren Augen nicht zufällig – führte das größer gewordene Deutschland nach der sogenannten Wiedervereinigung, die ich Annexion nenne, unter Bruch der Verfassung wieder Krieg. Deutsche Bomber flogen Einsätze gegen Serbien, um – wie Joschka Fischer es ausdrückte - ein neues Auschwitz zu verhindern . Tausende deutscher Soldaten sind inzwischen in vielen Ländern der Welt stationiert. Angeblich setzen sie sich für den Frieden ein. In Wahrheit tun sie das genaue Gegenteil. Sie sichern dem deutschen Kapital den Zugriff auf Rohstoffe und Ressourcen aller Art, stützen reaktionäre und faschistische Regimes, schaffen Zündstoff für immer neue kriegerische Auseinandersetzungen. Die Bundeswehr wird inzwischen auf vielfältige Weise auch im Inneren eingesetzt. Augenfällige Beispiele: Die Gipfel in Heiligendamm und Hamburg – auch dies klare Verfassungsbrüche.

Unter dem Eindruck der geschilderten Entwicklung haben wir damals also mit einer kleinen Gruppe von Kolleginnen und Kollegen den Arbeitskreis auf die Beine gestellt.

Die Antwort auf die Frage „ist es richtig, u m den DGB zu kämpfen“ war für uns damals wie heute die: Wir müssen es, wir haben gar keine andere Wahl! Nicht etwa, um die rechte Gewerkschaftsführung zu gewinnen, sondern um die Kolleginnen und Kollegen davon zu überzeugen, dass ihnen diese Führung nur schadet, sowohl was Lohn und Arbeitsbedingungen, als auch und vor allem, was den Kampf um eine bessere Zukunft betrifft. Eine solche ohne Faschismus und Krieg. Am konkreten Kampfziel klarzumachen, was eine klassenversöhnleri-sche und was eine parteiische Haltung ist.

Und das geht nur i m DGB, in den bestehenden Gewerkschaften, in denen ja Millionen von Kolleg*innen, und natürlich i.d.R. auch die Fortschrittlichen, organisiert sind. Keine Frage.

Zweifellos ist das nicht leicht, wie wir immer wieder sehen. Die allermeisten der Kolleginnen und Kollegen sind der rechten Führung ausgeliefert. Die Tatsache, dass von der miserablen Lohnentwicklung mal abgesehen, auf politischer Ebene so viele üble Dinge passiert sind, ist dem geschuldet. Wo gestreikt hätte werden müssen, wo die Arbeiterklasse auf die Straße hätte gehen müssen, ist das unterblieben. Das betrifft natürlich – besonders fatal – auch den Marsch nach rechts.

Selbst in den Gewerkschaften liegt der Anteil der rechtsorientierten weit über 20 %. Allerhöchste Zeit, zu reagieren.

Was machen wir im Arbeitskreis?:

Die Haupttätigkeit des Arbeitskreises bestand und besteht nach wie vor in der Vorbereitung von Aktionen und Veranstaltungen mit der Zielrichtung gegen Rechts, Sie ist vor allem praktischer Art.

Aktionen und Veranstaltungen fallen ja nicht vom Himmel.

So etwas muss vorstrukturiert werden. Das geschieht im Vorstand. Vor den Treffen mit allen machen wir uns Gedanken darüber: wo stehen wir gerade? Was sind die Hauptangriffspunkte? Gibt es bereits bei anderen Organisationen/ Einzelpersonen Vorstellungen, darüber, was die Lage erfordert? Oder wollen wir selbst in eine bestimmte Richtung aktiv werden?

Vom Arbeitskreis gegen Rechts gingen immer wieder richtungweisende Impulse aus, es ist kein Geheimnis, dass diejenigen, die sich als Kommunisten verstehen, auch für sich darüber nachgedacht haben. Einen kleinen Überblick über das, was wir da auf die Beine stellen und gestellt haben, seht Ihr hier hinten auf den Tafeln. Herausstechende Aktionen in den letzten Jahren waren z.B. die zum Abbau des Asylrechts, zur Solidarität mit Griechenland, zum Kampf gegen die Angriffe auf das Versammlungsrecht, wo es letztlich der Arbeitskreis gegen Rechts war, der gewisse Streichungen in dem Gesetzentwurf der CSU erwirkt hat, gegen das sogenannte Bayrische Integrationsgesetz und das (ebenso) Bayrische Polizeiaufgabengesetz (PAG), das ja zum Vorbild für gleichlautende Gesetze in anderen Bundesländern geworden ist. Unser Kampf ist in den meisten Fällen gegen die CSU, bzw. gegen die schwarzbraune Sammungsbewegung gerichtet.

Zugegeben – was da und dort an kleinen Änderungen erreicht wurde, ist gering, aber ohne den Kampf, ohne die Demonstrationen und Kundgebungen hätte es nochmal anders ausgesehen.

Eine Aktivität war im Februar diesen Jahres die Kampagne „Ronny hat’s richtig gemacht“. Die Geschichte ist die: Ronny, Leiharbeiter bei BMW, wurde nach etwas mehr als zwei Wochen von seiner Leiharbeiterfirma während der Probezeit gekündigt , weil er sich gegen rassistische Hetzreden seines Vorarbeiters zur Wehr gesetzt hatte. Dieser hatte – bezogen auf andere Kollegen - immer wieder Sprüche wie „Bimbo!“, „Nigger!“, „diese Juden!“, „Behinderte!“ usw. von sich gegeben. Er tat es völlig ungeniert in der Abteilung und unter Namensnennung der so titulierten Kollegen. Ronny, neu in der Abteilung, war es irgendwann zuviel. Er sagte das seinem Vorarbeiter, der – auf die NSU-Morde angesprochen – meinte „Na und – ein paar Kanaken weniger!“. Ronny ließ ihn wissen, dass er solche Töne nicht hören wolle. Die Lawine kam ins Rollen. Die Leiharbeiterfirma kündigte Ronny im Einvernehmen mit BMW.

Der langen Rede kurzer Sinn. Wir legten voll los. Ronny bekam, trotz anfänglicher erheblicher Widerstände der Rechtsschutzabteilung von Verdi Rechtsschutz (er war ja während der Probezeit gekündigt worden!), die Kündigung wurde von der Richterin abgewiesen. Die Leiharbeiterfirma hatte die Kündigung damit begründet, dass R. sie belogen habe, als er verneinte, in der Sache den Betriebsrat aufgesucht zu haben. Ob er zum BR hingeht, geht die Firma nichts an. Bei der Verhandlung standen wir mit Transparenten vor dem AG, der Saal war so voll, dass Leute am Boden sitzen mussten.

Allerdings ist die Geschichte noch nicht ausgestanden. Die Firma hat sich Bedenkzeit erbeten, ob sie in Berufung geht.

Das ist ein kleiner Ausschnitt aus unserer Arbeit, wobei ich fast vergessen hätte, dass wir natürlich auch versuchen, die Kolleg*innen in den Betrieben über unsere Aktionen und Veranstaltungen, über die jeweiligen Vertrauensleute zu informieren, wo das möglich ist. Dazu gibt es ja die Vertrauensleute.

Ich glaube, ich muss hier nicht erzählen, welche Haltung die rechte Gewerkschaftsführung uns gegenüber einnimmt. Ich habe es ja vorhin schon angeschnitten. Davon könnte die Gewerkschaftssekretärin, die auch im Vorstand des Arbeitskreises ist, ein Liedchen singen. Sie hat ständig mit Schikanen dieser Leute zu kämpfen. Stichworte sind z.B. die Auseinandersetzung um Rekrutengelöbnisse (ein DGB-Vorsitzender, der (Zitat) „die historisch bedingte Spannung zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr für endgültig beendet hält“), eine IG-Metall, die sich zur Erhaltung der Arbeitsplätze ganz entschieden auf die Seite der Rüstungsindustrie und der Automobilindustrie stellt, der Verdi-Vorsitzende, der im Leitartikel der neuen Publik (Mitgiederzeitung von Verdi) hochlobend erwähnt, dass die deutsche Volkswirtschaft der Hauptprofiteur der EURO-Zone ist.

Er meint, der gemeinsame Währungsverbund mit Volkswirtschaften, die viel weniger produktiv, viel weniger wettbewerbsfähig seien als die deutschen, bewirke einen günstigeren Wechselkurs, als ihn eine D-Mark hätte, und das brächte den deutschen Exporteuren eine Verbilligung ihrer Exporte. Das sei gut für uns Deutsche. Er hält dies der AfD entgegen, die bei irgendeiner Gelegenheit, die Wiedereinführung der DM ins Spiel brachte.

Im Grunde sagt er:

Hoch die nationale Solidarität…Nieder mit den anderen Volkswirtschaften in Europa!

Ein Gewerkschaftsvorsitzender also, der die Auffassung vertritt „Deutschland zuerst!“. Verheerend.

Überhaupt führen sie – nicht nur die Gewerkschaftsführung - gerne das Wort Wir im Mund. Wir Deutsche, das hört man besonders oft, auch in den Gewerkschaften. Damit sind nicht wir, die Kolleginnen und Kollegen mit unseren Interessen gegenüber den Mächtigen, den Trägern dieses Gesellschaftssystems gemeint. Dieses Wir schmeißt wie selbstverständlich Arbeiter*innen und Kapitalisten, Linke, Rechte, alles in einen Topf. Ein schreckliches Gebräu, das am Ende Volksgemeinschaft bedeutet. Und damit Ausgrenzung all derer, die nicht dazu gehören.

In dieselbe Richtung geht das Gewäsch von der sogenannten Heimat, einem gefühlsduseligen Begriff, der inzwischen auf allen Kanälen zu hören, und auf allen Plakaten von Grün bis Braun zu sehen ist. Keiner will sich nachsagen lassen, dass er nicht dafür ist. Und doch bedeutet er, in dem er in politische Höhen gelangt ist, nichts anderes als Abgrenzung und Ausgrenzung. Die einen gehören zu uns, die anderen nicht. Mit Menschen, die das im Kopf haben, kann man Krieg führen. Das war früher so und ist es heute. Für uns ist das eine Aufgabe, die wir noch nicht so im Visier haben, wie es sein müsste.

Ich könnte jetzt noch weitere Arbeitsschwerpunkte aufführen, wie z.B. den Kampf um die Freiheit der Kunst (Beispiel: Zentrum für politische Schönheit) den um die Meinungsfreiheit (Beispiel in diesen Tagen die Äußerungen von Frau Krampf-Karrenbauer, wie Ludwig diese Frau nennt)

Im Arbeitskreis prangern wir also die Klassenzusammenarbeit, klagen wir die mörderische Ausgrenzungspolitik an. Wir berichten über diese Übel, informieren die Kolleg*innen darüber. Information ist eine Voraussetzung für den Kampf. Das stimmt.

Aber brauchen wir nicht mehr?

Wir wollen doch die Revolution.

Der Arbeitskreis gegen Rechts und die Revolution

Ich hoffe, Ihr werdet das, worüber ich jetzt spreche, nicht als Abschweifung empfinden. Wenn Ihr geneigt seid, das zu tun, bitte ich Euch um etwas Nachsicht.

Ich habe mich in der Vorbereitung meiner Ausstellung „Skizzen aus dem NSU-Prozess“ wieder mit Brecht befasst. Ich las die Rede, die er 1935 auf dem internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur im Pariser Exil hielt. Sie war an die fortschrittlichen Schriftsteller und Künstler gerichtet, die die Gräuel des Faschismus beklagen.

Sie hat mich tief beeindruckt. Im Zusammenhang mit dieser Rede sind mir ein paar Gedanken zum Arbeitskreis gegen Rechts gekommen.

Brecht sagt den Schriftstellern und Künstlern, die den Faschismus vorrangig als ein moralisches Problem, als Symptom einer allgemeinen Verrohung sehen, etwas, von dem ich denke, dass es auch für unsere Arbeit in den Gewerkschaften, wo es doch vorrangig um Lohn und Arbeitsbedingungen geht, von Bedeutung ist, folgendes:-

„…sprechen wir von den Eigentumsverhältnissen!“ Er versucht dabei, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf einen einzigen Punkt zu konzentrieren, nämlich auf den Klassencharakter des Faschismus.

Er sagt: “ Die Rohheit kommt nicht von der Rohheit, sondern von den Geschäften, die ohne sie - die Rohheit, die Gräuel - nicht mehr gemacht werden können…

Viele von uns Schriftstellern“, sagt er, „welche die Gräuel des Faschismus erfahren und darüber entsetzt sind, haben diese Lehre noch nicht verstanden, haben die Wurzel der Rohheit, die sie entsetzt, noch nicht entdeckt. Es besteht immerfort bei ihnen die Gefahr, dass sie die Grausamkeiten des Faschismus als unnötige Grausamkeiten betrachten.

Die Anklage allein genügt nicht!

Nun ist aber der Faschismus in unserem Land (noch) nicht an der Macht und dann haben wir es in den Gewerkschaften ja in der Regel n i c h t mit Künstlern und Schriftstellern zu tun, wird man sagen.

Festzustellen bleibt aber, dass erstens die Barbarei zunehmend an Kontur gewinnt und längst ein Weg beschritten ist, an dessen Ende der Faschismus stehen kann.

Zweitens: Auch in den Gewerkschaften handelt es sich – abgesehen natürlich von den weit über 20 % Rechtsorientierten in den eigenen Reihen – um Menschen, die oft über den Marsch nach Rechts, über die. Behandlung der Asylsuchenden, über die Brandanschläge, die Abschiebungen in den Tod, über die rasende Militarisierung, sozusagen die Gräuel von heute, empört sind.

Auch für sie gilt, dass die übergroße Mehrheit von ihnen (und auch die in den Betrieben organisierten fortschrittlicheren Kolleg*innen) den Zusammenhang mit den Eigentumsverhältnissen, den Brecht hier aufzeigt, n i c h t sehen.

Im besten Fall sind sie also entrüstet über die Verhältnisse. JA - Einige von ihnen sind auch bereit, dagegen etwas zu tun.

Genügt es aber - DAS BETRIFFT JETZT UNS IM ARBEITSKREIS SELBST, ABER AUCH DIE KOLLEG*INNEN IN DEN BETRIEBEN, die wir ansprechen wollen - die Barbarei zu geißeln?

Brecht sagt Nein, das genügt nicht.

An anderer Stelle seiner Rede, dort, wo es um Schlussfolgerungen aus dem geschilderten Sachverhalt geht, stellt er sinngemäß fest: wenn die Barbarei zunimmt, sozusagen zur Normalität wird, und kein Weg gesehen wird, sie in Kenntnis der wirklichen Ursachen zu beseitigen, fangen auch diese fortschrittlichen, empörten Menschen, ob kulturschaffend oder nicht, irgendwann an, wegzusehen. Sie sind letztlich nicht in der Lage, den Kampf zu führen, weil sie die Ursachen der Barbarei nicht wahrnehmen. Ich denke, das stimmt auch heute.

Es gibt einen Aufsatz von Brecht – der Titel lautet Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit , der dieses Problem aufgreift. Dort schreibt er folgendes: Wenn man erfolgreich über schlimme Zustände schreiben (reden, Anm. von mir) will, muss man so schreiben (reden, Anm. von mir), dass ihre vermeidbaren Ursachen erkannt werden können. Wenn die vermeidbaren Ursachen erkannt werden, können die schlimmen Zustände bekämpft werden.

Worauf will ich hinaus? Darauf, dass es auch im Arbeitskreis und bei der gewerkschaftlichen Arbeit im Betrieb nicht ausreicht, nur die gerade herrschenden Zustände anzuprangern, über sie zu klagen. Was ich hier sage, kam mir erst in den letzten Tagen, als ich mir die Tafeln nochmal ansah, die hier an der Wand hängen.

Zweifellos gute Aktionen, die wir gemacht haben, und die wir planen, bei realistischer Sichtweise aber schleicht sich bei mir der Gedanke ein, dass wir bisher etwas zu wenig über die Ursachen, also die Geschäfte, von denen Brecht spricht, aufgeklärt haben, die diese Zustände notwendig machen. Zumindest muss ich das für mich feststellen. Über die Geschäfte (Brecht) sprechen, diesen Zusammenhang herstellen zu der Rohheit, die sich vor unseren Augen abspielt, soll man nicht gebetsmühlenartig. Und man darf es vor allem nicht besserwisserisch tun. Es gibt sicher auch kein Rezept dafür, wie man das tut.

Man muss es nur wollen.

Wir als Kommunisten wissen doch, dass es nicht nur um einen Abwehrkampf geht. Es geht um alles, um die Abschaffung des Lohnsystems.

Nicht die Gewerkschaften, und ganz bestimmt nicht der Arbeitskreis gegen Rechts, werden die Revolution machen, dazu braucht es die Partei.

Aber in den Gewerkschaften über die Wohnungsnot zu reden, ohne die Frage der Enteignung von Grund und Boden auf den Tisch zu bringen, in den Gewerkschaften über das zu reden, was Klimakatastrophe genannt wird, ohne über die Frage der Enteignung der Automobilkapitalisten zu reden, so kommen wir keinen Schritt weiter in Richtung Revolution.

Eine Aufgabe für die Zukunft.

Tut mir leid, dass das jetzt so allgemein geworden ist, aber manchmal ist das nötig.

Versteht das bitte auch als ein Stück Kritik an eigenen Versäumnissen.